„Champions are made in the offseason!”. Einer dieser klassischen Motivationssprüche aus dem Internet? Vielleicht – aber dennoch steckt eine Menge Wahrheit darin. Langfristiges und strukturiertes Training über die Wintermonate ist unabdingbar, um im folgenden Sommer im Wettkampf Erfolg zu haben.

Die meisten Ultimate-Spieler:innen haben mittlerweile den „Luxus“ auch in der „Offseason“ (ca. Oktober – März) mindestens 1x wöchentlich an einer Form von Ultimate-Training teilzunehmen. Durch dieses ganzjährliche Training der Wettkampfsportart werden größere Leistungsabfälle verhindert und die Sportler:innen haben die Möglichkeit dauerhaft ein hohes Leistungsniveau zu halten.

Aber was, wenn die „Offseason“ auf einmal ganz anders aussieht? Der Vereinssport liegt seit Monaten auf Eis, die Fitnessstudios und vielerorts auch gesamte Sportanlagen sind geschlossen. Ultimate-Training mit dem Team? Unmöglich. Viele Sportler:innen haben wahrscheinlich seit September nicht mehr an einer Spielform des Ultimate teilnehmen können.

Ein Paar Sportschuhe, ein paar Hütchen und eine Stoppuhr, welche 21 Sekunden anzeigt stehen auf einer Tartanbahn.

Ein Paar Laufschuhe, eine Stoppuhr und Platz um 100 Meter geradeaus zu laufen. Mehr braucht es nicht für den Start in die Saison.

Mit dem Frühling vor der Tür, wärmeren Temperaturen in ganz Europa und mit Ausblick auf eventuelle Lockerungen der Corona-Maßnahmen im Sommer steigt bei allen Spielern:innen die Vorfreude, endlich wieder Ultimate spielen zu können. Da passiert es schnell, dass man „im Eifer des Gefechts“ zu schnell zu viel tut, nachdem man vorher zu lange zu wenig getan hat. Das Erfolgsrezept für Verletzungen.

Getreu dem Motto „use it or lose it“ bedeutet die Entwicklung der letzten Monate für den Körper: Leistungsabfall. Es fehlt der regelmäßige Trainingsreiz. Hiervon sind besonders die Bereiche der Grundlagenausdauer, des Sprintens und der generellen Belastbarkeit betroffen.

Nun stellt sich also die Frage: „Was kann ich jetzt tun, um in hoffentlich naher Zukunft wieder ins regelmäßige Ultimate-Training einzusteigen, ohne mich dabei zu verletzen?

Joggen vs. Ultimate

Vielen kommt dabei natürlich sofort Joggen in den Sinn. Joggen braucht kein Equipment, keine Sportanlagen, ist ohne andere Personen möglich . Die perfekte Möglichkeit, um sich aktuell fit zu halten bzw. fit zu werden, oder?

Jain. Natürlich ist regelmäßiges Joggen gut für die generelle Gesundheit und steigert auch die Grundlagenausdauer, aber als Vorbereitung auf die kommende Ultimate-Saison ist es in meinen Augen nicht die beste Wahl. Dies liegt daran, dass sich Joggen und Ultimate einfach zu sehr voneinander unterscheiden. Ultimate ist eine Intervall-, und Joggen eine Dauerbelastung. Dadurch unterscheidet sich die Laufgeschwindigkeit und infolgedessen wiederum die Lauftechnik. Der Transfer vom Joggen aufs Ultimate wird also nicht besonders groß sein.

Aber was ist dann eine gute Methode, um mich vorzubereiten?


Tempoläufe! Bei 70% Laufgeschwindigkeit kann man besonders gut an der Technik feilen.

Extensive Tempoläufe

Extensive Tempoläufe sind eine Form des Intervalltrainings und können theoretisch überall absolviert werden – auf einem Feldweg, einer Spielstraße, einem Parkplatz etc. Man benötigt bloß eine gerade Distanz von ca. 100m und eine Stoppuhr (kürzere Distanzen sind auch möglich, aber nicht optimal).

Das Grundkonzept von extensiven Tempoläufen ist, Laufvolumen durch wiederholte submaximale Sprints „anzuhäufen“. Meist werden die Läufe mit 70% der maximalen Geschwindigkeit absolviert.

Diese Methode zielt – genau wie das Joggen – auf das Ausbilden einer guten Grundlagenausdauer ab. Diese Grundlagenausdauer stellt, wie der Name schon verrät, die Grundlage für intensivere Belastungen wie bspw. Ultimate dar und hilft dabei sich schneller von hochintensiven Sprints zu erholen. Eine gut ausgebildete Grundlagenausdauer bildet das Fundament erfolgreicher Ultimate-Spieler:innen.

Zwar können beide Trainingsmethoden dieses Ziel erreichen, Tempoläufe ähneln aber in ihrer Ausführung dem eigentlichen Sport mehr, weshalb hier ein größerer Transfer zu erwarten ist.

Wie funktionieren Tempoläufe?

Tempoläufe werden, ähnlich wie Übungen im Krafttraining, in Wiederholungen und Sätzen angegeben. Eine Wiederholung ist dabei ein Lauf über 100m mit 70% des maximalen Tempos. Ein Satz kann zwischen 5 und 8 Wiederholungen und ein gesamtes Workout zwischen 3 und 5 Sätzen beinhalten.

Zwischen den einzelnen Läufen pausiert man ca. 3x so lange, wie der Lauf dauert und zwischen den Sätzen liegen 3min Pause (ein genaues Beispiel über den Ablauf einer Trainingseinheit folgt weiter unten).

Die auf 70% reduzierte Laufgeschwindigkeit hat dabei diverse Vorteile: Sie ist immer noch hoch genug, dass der/die Athlet:in dasselbe Bewegungsmuster wie im 100% Sprint anwenden muss. Jede Wiederholung ist somit eine Möglichkeit, um die eigene Sprinttechnik zu verbessern. Das Beste: Die Geschwindigkeit ist gleichzeitig niedrig genug, um während des Laufens aktiv an der Technik zu arbeiten und Korrekturen durchzuführen. Sprintet man mit 100%, passieren die Bewegungen automatisch und lassen kaum koordinativen Spielraum für Korrekturen.

Die wichtigsten Punkte, auf die man sich während der Läufe konzentrieren sollte:

  • Aufrechte Körperhaltung: Der Oberkörper ist aufgerichtet, der Bauch leicht angespannt und der Blick geradeaus gerichtet. Die Hände bewegen sich von (Gesichts-)Backe zu (Po-)Backe.
  • Aktiver Kniehub: Das Knie wird aktiv nach vorne und oben gezogen, bis sich die Oberseite des Oberschenkels beinahe parallel zum Boden befindet.
  • Aktiver Fußaufsatz unter der Hüfte: Die Zehenspitzen sind in Richtung Schienbein angezogen, um Vorspannung in der Wade zu erzeugen. Der Fußaufsatz erfolgt mit dem Fußballen unterhalb der Hüfte.
Der saubere Einsatz der Arme ist für viele erstmal ungewohnt. Versucht – wie hier im Video – einen 90° Winkel in den Ellbogen zu halten und über die entspannten Schultern zu schwingen.

„Slow and steady wins the race“

Das Wichtigste, um erfolgreich in die kommende Saison einzusteigen, ist eine stetige und progressive Steigerung der Belastung. Der menschliche Körper ist zwar ein Naturtalent in der Anpassung  an neue Trainingsreize, kann aber auch schnell überfordert werden, was zu Überlastungsverletzungen führen kann. Ein gutes Einstiegsvolumen wäre für die meisten wahrscheinlich 1500m. Zum Beispiel ein Training mit 3x5x100m; also 3 Sätze à 5 Wiederholungen à 100m. Das Gesamtvolumen (Laufdistanz aller wöchentlichen Einheiten addiert) sollte von Woche zu Woche um nicht mehr als 10-15% gesteigert werden, um Überlastungen zu vermeiden und dem Körper Zeit zu geben, sich an den neuen Trainingsreiz anzupassen.

Mit Hilfe dieser progressiven Belastungssteuerung sollte der/die Athlet:in auf ein wöchentliches Gesamtvolumen von ca. 3000m hinarbeiten, um gut auf den Widereinstieg ins leistungsorientierte Training vorbereitet zu sein.

So könnte ein Training aussehen:

  • Individuelles Aufwärmen mit Mobilisation & Lauf-ABC
  • 100%-Messung (nicht in jeder Einheit, sondern nur zu Beginn nötig): Laufe die Strecke in demselben Schuhwerk und auf demselben Untergrund, auf dem du später die Tempoläufe durchführen möchtest. Multipliziere deine gemessene Zeit mit 1,43, um deine Zielzeit für die Tempoläufe zu erhalten.
  • Tempoläufe: Nutze die ersten 15-20m, um dein richtiges Tempo zu erreichen. Am besten benutzt du eine Handstoppuhr, die du während des Laufens bequem in der Hand halten kannst. Dauert dein 100m-Lauf bspw. 22s, dann machst du zwischen den einzelnen Läufen 66s Pause.
  • Zwischen den Sätzen liegen 3 Minuten Pause.
Portät von Torben Hörnschemeyer auf einem Sportplatz

Torben ist angehender Sportwissenschaftler an der DSHS Köln und seit 2020 als selbstständiger Athletiktrainer tätig. Zuletzt spielte er für das deutsche U24 Open Team, sowie die Clubteams BORA (Osnabrück/Beckum) und Flying Angels Bern. Auf seinem Instagram (coach_torbenh) befasst er sich mit den theoretischen Grundlagen des Athletiktrainings und gibt Tipps für die praktische Anwendung.

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