Seit fast 15 Jahren findet in Köln eines der größten internationalen Frisbee-Turniere Europas statt: Die Disc Days Cologne. Rund 500 Teilnehmer:innen kommen auf dem Vereinsgelände und vor dem Rhein-Energie-Stadion zu einem der letzten Vorbereitungsturniere vor den nationalen und internationalen Meisterschaften zusammen. Seit 2017 gehöre ich zum Kern-Orgateam des DDC – ein Erfahrungsbericht.

Von Judith Leyendecker

Es ist ein heißer Sonntagnachmittag im Juni. Ich stehe schweißgebadet mit einem Mikrofon in der Hand auf einem Sportplatz und frage mich ernsthaft, was ich hier eigentlich gerade mache. Klar weiß ich, dass das hier die Sieger:innen-Ehrung der Disc Days Cologne ist. Aber es kommt leiser Zweifel auf, ob ich mir nicht eine Aufgabe zu viel zugemutet habe.

Bis vor zwei Minuten habe ich noch mit einem Google Sheet gekämpft, um die Spirit-Ergebnisse auszuwerten. Vor einer Stunde habe ich die Verlegung der Verpflegungsstation einschließlich glühend heißem Grill koordiniert. Vor sechs Stunden habe ich frierend im Kühlwagen Salate und Kuchen sortiert und mich gefragt, ob wir nicht doch zu wenig haben. Vor 20 Stunden habe ich für 500 Leute das Abendessen organisiert. Vor 30 Stunden habe ich ein Lastenrad durch die halbe Stadt gefahren, damit es uns für das Wochenende zur Verfügung steht. Und angefangen hat dieses Turnierwochenende vor Monaten in unserem Wohnzimmer, mit einer ersten Besprechung des Orgateams. Kein Wunder also, dass ich mich in dieser Sekunde auf dem Sportplatz kurz mal erschöpft nach meiner Couch sehne.

Ein Frisbee-Turnier zu organisieren ist eine ebenso anstrengende wie super lohnende Freizeitbeschäftigung. Warum super lohnend? Denkt mal an die vielen Wochenenden, die ihr irgendwo zwischen Genf, Graz und Nordsee verbracht habt. Ankunft Freitagabend, großes Hallo und Wiedersehensfreude, ein kühles Bier in der Hand und dankbar über den Snack, den die Ausrichter:innen vorbereitet haben. Zeltaufbau im Dunkeln (Platz ist genug und er liegt direkt neben den Feldern), schnell die Zähne in den sauberen Waschräumen des Vereinsheims geputzt und dann ab in den Schlafsack. Morgens ein gutes Frühstück (Eier! Müsli! Vegane Brotaufstriche!), kurz noch orientieren, wo das erste Spiel stattfindet, dann die Cleats an und los geht’s zum Warm-up. Spätestens jetzt ist die Laune auf dem Höhepunkt und alles vergessen, was unter der Woche noch anstrengend war.

Turnierorga 101: Zwischen Erlebnis und Effizienz

Das ist es, was wir im Kopf haben, wenn wir mit dem Orgateam die Disc Days Cologne planen. Das DDC ist ein traditionsreiches Turnier: Viele Teilnehmer:innen verbinden damit schöne Erinnerungen und gewisse Erwartungen. Die möchten wir natürlich nicht enttäuschen. Gleichzeitig versuchen wir seit einigen Jahren das „DDC-Erlebnis“ auch für uns als Organisator:innen möglichst effizient zu gestalten – sowohl in der Vorbereitung wie auch in der Durchführung am Wochenende selbst. Damit stellen wir uns jedes Jahr der Herausforderung knapper Ressourcen: Zeit und Budget sind nun einmal begrenzt.

Wir lösen das Zeitproblem seit einer Weile, indem wir klare Verantwortlichkeiten im Orgateam verteilen, so dass sich nicht alle um alles einen Kopf machen müssen: Vom Reservieren der Sportplätze über den Einkauf am Freitag bis zum Abbau am Sonntagabend. Zwischen den (möglichst seltenen und möglichst kurz gehaltenen) Meetings arbeitet jede:r an seinem oder ihrem Bereich und berichtet dann nur über das Wichtigste. Jede:r Bereichsverantwortliche rekrutiert auch selbst Helfer:innen aus dem Team – ein Punkt, der immer wieder für Kopfschmerzen sorgt. Zusätzlich gibt es noch die/den Turnierdirektor:in, die oder der einen Überblick über alles hat, aber auch noch tausend „kleine“ Dinge selbst erledigt. Für das Wochenende selbst rekrutieren wir zusätzlich noch Familie, Freundinnen und Kollegen. Insgesamt arbeiten zwischen 50 und 75 Personen am DDC mit.

Damit am Turnierwochenende alles gut läuft, muss in der Planung auch an Details gedacht werden: Spielscheiben, Scoreboards und Erste Hilfe Taschen werden morgens von Helfern an die Felder gebracht. Die Wasserkiste muss das Team selber tragen.

Mithilfe dringend gesucht

Selbst in den Kölner Teams ist nicht allen bewusst, wieviel Aufwand in das DDC fließt – und wieviel einfacher es sein könnte, wenn von Anfang an mehr Teammitglieder in die Orga einstiegen. Denn am Wochenende selbst ist es unendlich hilfreich möglichst viele Personen vor Ort zu haben. Personen, die wissen, wie was läuft und die sehen, wenn es etwas zu tun gibt. Viele Gründe für die Zurückhaltung im Team sind bei allen ehrenamtlichen Engagements gleich – Zeitmangel durch Job, Studium oder Familie. Andere Gründe haben auch mich in der Vergangenheit oft beschäftigt: Die Sorge, etwas falsch zu machen, eine gewisse Schüchternheit (man möchte keine „Ansagen machen“), keine Erfahrung mit Eventorganisation, man kennt das DDC noch nicht…

Immer wieder versuchen wir diese Sorgen zu entkräften, wenn wir im Team zur Mithilfe aufrufen. Wir bieten an, erstmal ein „Praktikum“ bei einer oder einem Bereichsverantwortlichen zu machen. Alle Aufgaben sind als Checklisten in Trello hinterlegt, damit wir nicht vor einem riesigen Berg stehen, sondern kleine Schritte gehen können. Es gibt ein Handbuch und natürlich jederzeit die Möglichkeit, die alten Hasen um Hilfe und Rat zu bitten.

Wir haben uns in den vergangenen Jahren auch als Team selbst reflektiert: Lassen wir andere Meinungen zu? Wie gehen wir in Meetings mit kreativen Vorschlägen um? Müssen wir flexibler werden? Sollen wir uns anders organisieren, damit Mithilfe attraktiver wird? Müssen die Meetings anders gestaltet sein? Wie ist die Stimmung im Orgateam? Wie können wir Mithilfe belohnen? Alle diese Maßnahmen haben aus meiner Sicht schon zu einer gewissen Entspannung im Team geführt; der Spaß ist größer bei allen Beteiligten, die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, gestiegen. Auch einige Neue sind dazu gekommen und manche sind geblieben – ein Fortschritt.

Das sehen wir gerne: Glückliche Gesichter am Sonntag Nachmittag.

Mädels, traut euch!

Ich bin gespannt, wie es ab 2021 weitergeht: Das Orgateam ist bedingt durch Familiengründungen, Sabbaticals, Umzüge etc. ein völlig anderes – eine Chance, die Dinge nochmal ganz anders anzugehen. Ich habe mich nach der Geburt meines Sohnes erstmal aus der Orga herausgezogen – so ist das mit den Ehrenämtern. Damit diese Ämter mit Spaß und Kraft ausgefüllt werden können, braucht es Zeit und den Willen, sie zeitweise zu priorisieren. Wenn im Team alle helfen, müssten trotzdem immer genug helfende Hände am Start sein.

Und deswegen würde ich auch insbesondere allen Mädels im Ultimate Sport raten: Probiert es doch mal aus! Übernehmt eine kleinere oder größere Aufgabe bei Turnieren und freut euch, wenn am Ende eine Menge Leute wegen euch ein tolles Wochenende hatten. Wichtig: Habt keine Angst davor, dass mal was schief läuft. Meist bekommen die Teilnehmer:innen davon gar nichts mit – und wenn schon! Wir Ultimate Spieler:innen sind ein ziemlich wohlwollendes Völkchen. Auch wichtig: Ihr werdet es nie allen recht machen (Stichwort: Abendessen für 500 Personen…) – in dem Bewusstsein lebt es sich leichter.

Die Fotos wurden uns netterweise von Evelina Santa-Kahle zur Verfügung gestellt

Judith lebt mit ihrer Familie in Köln und arbeitet als Kommunikationsmanagerin. Sie spielt seit 2014 Ultimate und hat dabei noch viel über Kommunikation gelernt, was ihr Master in Sportkommunikation ihr nicht beigebracht hatte. 2019 hat sie Discgolf für sich entdeckt, was sie und ihren Mann auch im Lockdown auf Trab gehalten hat.

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1 Kommentar

  1. Schöner Artikel, Judith!
    Er hat mich nochmal daran erinnert, was wir alle gerade entbehren müssen. Hoffentlich können wir bald wieder Turnierluft schnuppern. Auf den Spass und viele helfende Hände!

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