– von Marie Kerkloh
Nie hätte ich gedacht, dass ich mal so viel Spaß daran haben würde, Kindern Frisbee beizubringen. Immerhin hatte ich es schon mehrmals ausprobiert und danach war ich immer ein bisschen enttäuscht und dachte, ich kann das einfach nicht.
Einmal zum Beispiel wurde ich von meinem Papa eingeladen in seiner Klasse eine Unterrichtsstunde über Ultimate Frisbee zu halten. Ich war super ambitioniert und dachte, dass ich die Stunde am besten wie ein Ultimate-Training aufbaue. Ich habe nur leider vergessen, dass die Kids noch nie eine Scheibe geworfen hatten und dass das ganz schön cool und aufregend sein kann, wenn man die irgendwie zum Fliegen bringt. Ja, und dass man am liebsten die ganze Zeit so weit werfen will, wie man eben kann. Vor allem bei den Jungs war dieser Enthusiasmus die Scheibe weit zu werfen sehr stark ausgeprägt. Oh man… Naja, letztlich haben sie alle relativ schnell gelernt, wie man eine Scheibe wirft und die Übungen, die ich mir ausgedacht hatte, haben dann auch einigermaßen geklappt. Im Spiel allerdings ist es ein bisschen eskaliert und die Jungs haben die ganze Zeit nur rausgeballert (oder es versucht) und die Mädels hatten so gut wie nie die Scheibe. Mann, das hat mich schon ein bisschen genervt. Und auch frustriert, weil die irgendwie alle nicht so ambitioniert waren wie ich, kein wirkliches Spiel zustande kam und ich mir einfach mehr erhofft hatte. Am Ende war ich mir sicher, dass das einfach nichts für mich war, dass ich froh war keine Lehrerin geworden zu sein und dass ich diese Erfahrung nicht wiederholen möchte.
Ein paar Jahre später (jetzt) bin ich also auf einer Fahrradreise durch die Welt mit meinem Mann und wir schreiben immer mal wieder irgendwelche Frisbee-Kontakte im Internet an, die wir eben so finden können. Am liebsten wollen wir ein bisschen mitspielen oder einfach die weltweite Frisbee-Community ein bisschen kennen lernen. Über Facebook finden wir einen Kontakt in Teheran, Iran (dort haben wir mit dem Team trainiert – war richtig cool!), einen in Yerevan, Armenien (hier gab es leider nur einen Frisbee-Spieler, der „aktiv“ war – naja, so wie man eben alleine als Frisbee-Spieler aktiv sein kann – also kein Training, aber wir durften bei ihm übernachten) und einen hier in Indien. Manix heißt er. Super netter Typ, mit dem wir dann geskypt haben und der uns hier vernetzt hat, weil er selbst woanders in Indien unterwegs war. Wir sind letztendlich bei einer NGO gelandet, die sich für Aufklärung einsetzt im Hinblick auf Missbrauch und häusliche Gewalt. Die NGO hat im Rahmen ihres Programms Ultimate Frisbee mit aufgenommen und ist mit jungen Ultimate-Spielerinnen in Schulen und Dörfer gegangen, um dort Frisbee an die Frau zu bringen. Der Gedanke war, Ultimate erstmal nur den Mädels beizubringen und später – wenn die Mädels spielen können – die Jungs mit einzubeziehen, sodass die Jungs etwas von den Mädels lernen können. Aufgrund eines Aufstandes hier in der Stadt wurden die Ultimate-Spielerinnen allerdings vorübergehend abgezogen und so waren wir quasi ein guter Ersatz, um Ultimate in Dorf und Schule zu unterrichten. Wir haben zugesagt mitzumachen.

Okay, bevor es losging war ich einerseits angespannt, weil ich die Erfahrung in der Schulklasse von meinem Papa nicht wiederholen wollte und andererseits auch voller Vorfreude. Das Projekt an sich klang einfach total cool und ich dachte, dass ich ja vielleicht ein bisschen was von meiner Ultimate-Erfahrung weitergeben kann. So wirklich selbstsicher habe ich mich zwar nicht gefühlt, aber gut. Ich habe mir einfach gesagt, dass 10 Jahre Ultimate Frisbee spielen und Nationalteamerfahrung wohl ausreichen müssen – aber gezweifelt habe ich trotzdem. Ich hatte jetzt schon ein paar Monate nicht mehr gespielt und vielleicht hatte ich alles verlernt. Shit, warum hatte ich nochmal zugesagt? Ach ja, cooles Projekt.
Also habe ich mich hingesetzt und erstmal Informationen gesammelt, meine Freunde angeschrieben, die Erfahrung darin hatten, Kindern Ultimate näher zu bringen. Da habe ich schon ein paar coole Spielchen gefunden, das war gut. Das für mich wichtigste war aber, dass da stand, dass man die Kinder erstmal an die Scheibe gewöhnen muss und nicht direkt mit einem professionellen Ultimate-Spiel starten muss. Ja, diese Erfahrung habe ich auch von damals mitgenommen. Die Erwartungen nicht zu hoch setzen, sondern lieber Spaß haben mit der Scheibe. Egal wie. Zudem habe ich mir gesagt, dass ich eine positive Stimmung haben will, weil es sich so am besten lernt und weil es mir auch immer am meisten Spaß gemacht hat Ultimate zu spielen, wenn die Stimmung gut war. Also habe ich da etwas ausgearbeitet, mir aber gedacht, dass ich trotzdem flexibel bleiben muss. Immerhin wusste ich nicht, wie viel sie bereits so gelernt hatten in den vorherigen Sessions oder wie fit sie sind.
Als ich mit Benno (meinem Mann) alles durchgesprochen habe, wurde irgendwie klar, dass ich hier die Hauptrolle spielen würde. Das war das einzige, was sich richtig angefühlt hat (auch wenn ich Schiss davor hatte) – immerhin sollten wir Mädels unterrichten und da wäre ich doch das beste Vorbild und nicht Benno. Benno hat sich dann als mein „Assistent“ betitelt und das war gut, um klare Verhältnisse zu schaffen. Okay, ready to rock!

Die erste Stunde mit 30 Mädels war ganz schön aufregend, aber auch richtig cool!
Ich habe so viele High 5´s verteilt wie noch nie in meinem Leben und wir haben verschiedene Übungen und Spielchen mit der Scheibe gemacht. Benno hat mir gut assistiert und ich habe die Mädels angefeuert. Ein paar Übungen kamen besser an als andere und es gab ein paar Mädels, die einfach ein bisschen unmotiviert waren. Aber ich dachte mir dann, dass ich in dem Alter (ca. 14) auch nicht immer auf alles Bock hatte und dass manche einfach nicht so gerne Sport machen und das ist ja auch okay. Insgesamt war es aber einfach richtig cool zu sehen, wie die meisten Spaß hatten, schnell werfen konnten und sich irgendwann schon gegenseitig die High 5´s verteilt haben, ohne dass ich sie dazu ermuntern musste.
Nach der Stunde habe ich mich mit Benno nochmals ausgetauscht und es fiel mir zwar schwer seine Kritik anzunehmen, aber irgendwie habe ich es dann doch hinbekommen. Ja, vielleicht beim nächsten Mal dies oder das verändern, um sie noch ein bisschen ins Rennen zu bringen oder nicht so lange statisch nur werfen, usw. Beim nächsten Mal habe ich also die Spielchen, die gut ankamen, nochmal gespielt und noch ein paar andere Sachen ausprobiert. Ein bisschen Wettkampf-Gedanken reingebracht mit Staffelspielen – das kam richtig gut an. Zum Schluss war das letzte Spiel, das Ultimate schon sehr ähnlich war, richtig cool anzuschauen. Sie sind total abgegangen und das war einfach toll.

Alles in allem war ich danach so dankbar und stolz: Darauf, dass ich das alles auf die Beine gestellt habe, aus meinen Erfahrungen gelernt habe und einfach trotzdem nochmal einen Versuch gestartet habe Kindern Ultimate näher zu bringen. Ich hatte das Gefühl, den Mädels etwas mitgegeben zu haben. Zudem glaube ich, dass ich meine Begeisterung am Ultimate irgendwie weitergeben konnte – und zwar nicht mit zu hohen Erwartungen, sondern mit Spaß.
Falls ihr auch mal Ultimate irgendwo unterrichten solltet (und ich kann euch nur dazu ermutigen!), dann könnt ihr gerne einen Blick in dieses Dokument werfen. Das habe ich danach noch zusammengestellt, damit diejenigen, die in die gleiche Situation wie ich kommen, etwas haben, an dem sie sich orientieren können. Wenn ihr noch weitere Fragen habt, schreibt mir eine Mail oder hinterlasst einen Kommentar, vielleicht interessiert die Antwort auf eure Frage ja noch jemanden.
Nach vielen Jahren Frisbee, einem Medizinstudium und vielen weiteren tollen Dingen in Deutschland, ist Marie nun mit dem Fahrrad losgefahren, um die Welt zu erkunden. Zum Glück ist Ultimate ein internationaler Sport, sodass sich immer wieder Gelegenheiten finden, Ultimate zu spielen oder den Menschen an anderen Orten der Welt zu zeigen, dass die Welt eine Scheibe ist 🙂
Wenn euch interessiert, was Marie und Benno auf ihrer Reise erleben, schaut doch mal auf ihrem Blog vorbei.
Wow, das klingt echt super! Viel Spaß auf deiner Reise 🙂