– von Lotte Wilfing
Im ersten Teil meines Artikels – Mentale Stärke im Ultimate Sport – Teil 1 – habe ich etwas allgemeiner ins Mentale Training eingeführt, beschrieben, worum es gehen und was es bewirken kann. Nachdem ich im ersten Artikel drei Grundsätze und einige Anregungen für dich als Einzelperson aufgelistet habe, folgen nun Tipps für dein Training, für dein Team und für Turniere. Ganz zum Schluss gibt es ein paar Inputs für dich zum praktischen Umsetzen und Verweise auf Literatur, falls du dich weiter mit dem Thema beschäftigen möchtest.
Tipps für dein Training
- Viele Personen haben die Gewohnheit, sich für jeden Fehler im Training zu entschuldigen. Bei jeder einzelnen Entschuldigung machst du dich jedoch selbst runter und oft beeinflusst du damit auch andere. Hör damit auf! Such dir stattdessen ein kleines Ritual mit dem du dich wieder fokussierst und das Negative hinter dir lässt. Das kann zum Beispiel ein Wort sein (egal ob positiv, neutral oder lustig), welches du auch leise vor dich hin schimpfen kannst – aber nur kurz!
- Wahrscheinlich hast du schon oft gehört, dass du, um „besser zu werden“ im Training Spieler*innen verteidigen sollst, die stärker /schneller sind oder mehr Erfahrung haben als du. Manchmal wird dies als stressig und als „sinnloses“ Nachlaufen empfunden, doch ganz im Gegenteil! Gewöhn dir an, dieser Herausforderung positiv entgegen zustehen und die Erfahrung als bereichernd anzusehen – Geh von dir aus und begegne der Aufgabe mit einem positiven Mindset: „Ich kann daraus viel lernen und ich gebe mein Bestes“ – anstelle von „Egal, wie viel ich gebe, mein Gegenüber ist immer besser“.
- Gerade im Training sind die im ersten Teil des Artikels genannten kleineren Handlungsziele enorm wichtig, um motiviert zu bleiben. Suche dir für jedes Training persönliche Skills aus (nie mehr als 1–3) und formuliere daraus klare Ziele für dich, die auch erreichbar sind!
- Sideline-Support ist etwas, das oft nur auf Turnieren angewandt wird. Eigentlich gehört dies meiner Meinung nach jedoch auf jeden „normalen“ Trainingsplan. JEDE/R kann das lernen – einfach indem es regelmäßig getan wird. Und es hilft allen – auch in den Trainings – immer wieder (mental) auf den Moment fokussiert und im Tun unterstützt zu werden.
Tipps für dein Team
Diese kleine, grundlegende Auflistung soll dich wieder an die Dinge erinnern, die dafür sorgen, dass dein Team mental gestärkt und motiviert wird:
- Cheers (evtl. auch mit Bewegung verbunden)
- klare Strukturen und Rituale, z.B. zu Beginn und am Ende eines Trainings oder am Morgen und Abend eines Turniertages
- immer wieder hohe High-Fives abholen und verteilen: die Körperhaltung wird dabei gestreckt, du holst dein Gegenüber damit in jeder Situation ab und zeigst deine positive Energie (einer meiner Freunde sagt nicht ohne Grund immer „gute Teams berühren sich viel“.)
- sich gemeinsam realistische Ziele für die Season festlegen und immer wieder daran arbeiten und darüber reflektieren
- Buddy-Systeme: mehrere Ansprechpersonen (zusätzlich zu den Captains) im Team haben, die Halt geben
- gemeinsam überlegen, welche Werte das Team vertritt und sich darüber austauschen
- Frisbee-unabhängige Aktivitäten veranstalten, um die Gemeinschaft zu stärken

Tipps fürs Turnier
- viele gemeinsame Cheers für verschiedene Situationen (Aufwärmen, Offense-Punkt, Break-geholt, Halbzeit etc.) → Gefühl von Verbundenheit und Teamgeist vermitteln und stärken
- eine starke, laute und fokussierte (!) Sideline
- wenn’s mal schief geht / schlechte Stimmung ist: Besserung findet immer in der Gegenwart statt: Bleibe im Jetzt! Denn Unsicherheiten, Grübeleien und Zweifel beziehen sich auf Zukünftiges (= Angst vor dem Scheitern) und alles, was bisher nicht geklappt hat, ist Vergangenheit. Für die Vergangenheit kannst du dir nach dem Spiel Zeit nehmen um das Spiel zu reflektieren. Bleib während Tiefpunkten im Jetzt, denn nur jetzt kannst du agieren.
- in unsicheren Situationen (z.B. wenn du bei einem entscheidenden Punkt auf der Line stehst und du gerade nicht so fokussiert bist oder dich von deinem Gegenüber eingeschüchtert fühlst) gibt es u.a. 2 Möglichkeiten, damit umzugehen:
- gemeinsam etwas im Team machen, z.B. haben viele Teams eine Art Teamgeste, die sie gemeinsam vor oder während des Pulls machen, um sich auf den jetzigen Moment zu fokussieren
- mit der Aufmerksamkeit kurz ganz bei dir bleiben, deinen tiefen Atemzug spüren und dich auf dein Körpergefühl konzentrieren: Denn dies kannst du jederzeit – und dabei macht Übung dich zum Meister – durch eine gespeicherte, positive Erinnerung oder eine stolze Bewegung / Körperhaltung verändern!
- abends nach einem Turniertag für dich oder gleich im Team reflektieren, wie es gelaufen ist, die positiven Highlights in Erinnerung rufen und abspeichern. Nehmt euch Zeit eure Mitspieler*innen zu loben für Dinge die gut gelaufen sind.
Was du sonst „einfach“, konkret und praktisch für deine mentale Stärke tun kannst:
- In Situationen, die dir schwer fallen, wenn du dich unwohl fühlst, dir etwas eingestehst, du jemandem vermitteln möchtest, wie es DIR geht, dann sprich in der Ich-Form. So kannst du leichter reflektieren, was das gerade mit dir macht und du bist authentischer für dein Gegenüber – und für dich selbst.
- Mach dir dein „Warum“ hinter deinen Entscheidungen immer wieder klar – denn es heißt „ein starkes Warum ist ein kraftvoller Verbündeter“. Die Meinung, dass ein starker Wille langfristig sogar ein Talent schlagen kann, ist weit verbreitet. Fazit: Je stärker dein Warum, desto stärker ist auch dein Wille!
- Visualisieren von Highlights: Nimm dir beispielsweise jetzt gleich für eine knappe Minute Zeit, um dir ein Highlight, das du im letzten (halben) Jahr beim Ultimate Spielen erlebt hast, nochmals vor Augen zu führen. Das können ein genialer Catch, ein vollkommenes Safe-Handling-Gefühl, eine knappe Defense etc. sein. Präge dir den Moment und dieses Gefühl gut ein, damit du es immer wieder hervorholen kannst, wenn du gerade einen Schub Selbstvertrauen gebrauchen kannst.
- Generell lässt sich jegliche Art von Bewegungsfertigkeiten immer und überall visualisieren. Gerade in der jetzigen Zeit, wo wir erst langsam und vorsichtig wieder mit Trainings beginnen und knappe Spielsituationen (z.B. Defense) vermeiden müssen, kannst du die Zeit nutzen und beispielsweise Wurfbewegungen mit engem Mark „im Kopf“ trainieren. Und selbst für die Zeit, in der wir wieder alle gemeinsam in gewohnter Weise auf dem Feld stehen können und dies eher „unnötig“ erscheint, kann dich das regelmäßige Visualisieren von Bewegungsabläufen (z.B. beim Warten auf die Bahn) echt weiterbringen.
- Übungen mit der Scheibe: Kontakt mit unserem liebsten Spielzeug, der Scheibe, ist jederzeit möglich. Du kannst sie z.B. mit geschlossenen Augen vor dir hochwerfen und wieder fangen und dich dabei natürlich auch durch Variieren von Wurfhöhe, Wurf-, Fanghand und Position (Sitzen, Stehen, beim Laufen etc.) challengen. Um dich mental dabei zu stärken, bleib dabei mit deiner Aufmerksamkeit immer gut bei dir und deinen Bewegungen. Lass dich von Fehlwürfen / Drops etc. nicht irritieren, lass deine bewertenden Gedanken weg und beobachte dich und nur deinen Körpern. Dieser darf und kann einfach mal tun. Das gilt auch für jegliche andere „Spiele“ mit der Scheibe (zu Hause) – ob Zielübungen, Spin üben etc. Du kannst damit dein Selbstvertrauen stärken und deine Wahrnehmung schärfen.
Abschließend denke immer daran: Dein Selbstwertgefühl basiert darauf, wer du bist und nicht auf dem, was du erreicht oder verloren hast. Denn das macht dich anfälliger für Selbstzweifel. Wenn du dich auf dich als Mensch konzentrierst – so, wie du bist – dann bewahrst du dich und dein Selbstwertgefühl davor, dass du dir zu viel auf Erreichtes einbildest (und vielleicht sogar die Mithilfe deiner Teammates vergisst) oder es aufgrund von Fehlern niedermachst.
Erfolg und Misserfolg allein machen dich nicht aus – das sind temporäre Erlebnisse!
- „The Inner Game of Tennis“ von W. Timothy Gallwey
- „Die mentale Einstellung“ von Thomas Wörz
-
3 Ways to Build Unshakable Confidence
-
Chockin? Are you sure? – Eine alternative Sichtweise auf
-
Stop playing badly! – Ein Artikel über den Umgang mit Fehlern
Folge Lotte auf Instagram:
Lotte ist Spielerin des Österreichischen Frauen Nationalteams. Auf Clubteamlevel vertritt sie Mantis Ultimate Vienna und Nitro Circles. Sie ist angehende Musiktherapeutin in Wien und seit 2 Jahren verbindet sie beide Interessensfelder indem sie Mantis mit wöchentlichen mentalen Einheiten coacht.